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Gedenkfeier des VVN am Totensonntag in Pforzheim

Bild: Rüdiger Jungkind, VVN Pforzheim-Enzkreis bei seiner umfassenden  Rede am Mahnmal der Opfer des Faschismus auf dem Pforzheimer Hauotfriedhof

Rüdiger Jungkind, VVN Pforzheim-Enzkreis bei seiner umfassenden Rede am Mahnmal der Opfer des Faschismus auf dem Pforzheimer Hauotfriedhof

Rede zum Totensonntag 20.11.2011
Liebe KameradInnen, KollegInnen, FriedensfreundInnen,
die Ereignisse der letzten Tage zeigen: Die Arbeit geht uns nicht aus. Bevor ich hierauf zu sprechen komme, möchte ich erst einen Blick zurückwerfen.
Das zentrale Ereignis im Jahre 1941 war der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die UdSSR. Am 21. Juni jährte sich dieses Ereignis zum 70. Mal.

Zu diesen Überfall dominieren heutzutage vor allem plakative Darstellungen: die bösen Buben des 20. Jahrhunderts führen Krieg. Hitler kam Stalin zuvor.
Vergleiche dieser Art dienen der Instrumentalisierung "Rechts ist gleich Links". Stalin und andere Kommunisten müssen als "Linksfaschisten "herhalten, eine Bezeichnung, die übrigens schon aus einer Zeit stammt, in der Stalin seine schlimmsten Verbrechen noch gar nicht begangen hatte. Vor allem seit 1990 haben wir eine Inflation aus Hitlers und Stalins. Manche, wie z.B. Slobodan Milosevic, waren gleich beides.
Vergleiche dieser Art sind wenig erhellend, aber leider sehr wirksam.
Hitler überfiel also die Sowjetunion. Ich frage frei nach Bertholt Brecht: "Hatte er nicht wenigstens einen Wehrmachtssoldaten an seiner Seite?"
Der ehemalige britische Premier Winston Churchill war wenigstens ehrlich: Seiner Meinung nach hatten die Alliierten das "falsche Schwein" geschlachtet. Der Feind stand im Osten: für die internationalen Kapitalkreise nach 1945 nicht anders als für diejenigen des Deutschen Reiches vor 1945.
Der deutsche Imperialismus hatte stets einen interessierten Blick nach Osten. Warum? Ihm drängte sich dieser Blick als Alternative zum Kolonialsystem Großbritanniens und auch Frankreichs auf.
So formulierte Paul de Lagarde im November 1853
über die gegenwärtigen Aufgaben der Politik:
Es folgt also, dass Russisch-Polen im Osten, und zwar über die Weichsel bis an die Pinsker Sümpfe, Elsass und das gesamte Lothringen östlich von Argonnen zu Deutschland zu ziehen sein wird.
32 Jahre später , Elsass und Lothringen waren inzwischen deutsch , formulierte er:
"Wenn Russland sich weigert, für Geld und gute Worte unsere und Österreichs Grenzen in der Richtung auf Kleinasien vorzuschieben, so werden wir darauf denken uns selbst zu helfen, aber dann so gründlich, dass es lange vorhält.
Mit dem 1. August 1914 war es soweit: Der deutsche Imperialismus wollte seine Pläne gegen das rückständige Zarenreich endlich in die Tat umsetzen.
Im September 1914 konkretisierte der Industrielle August Thyssen in seiner berüchtigten Kriegsdenkschrift:
Russland muss uns die Ostseeprovinzen, vielleicht Teile von Polen und Donezkgebiet mit Odessa, der Krim, sowie asowisches Gebiet und den Kaukasus abtreten, um auf dem Landwege Kleinasien und Persien zu erreichen.
Sein Ziel: England erforderlichenfalls in Ägypten und Indien anzugreifen. Schon Thyssen wollte Deutschland am Hindukusch verteidigen.
1917 siegte die Oktoberrevolution. Damit hatte der Imperialismus ein weiteres Ziel: das richtige Schwein musste geschlachtet werden.
Das deutsche Reich war durch die Niederlage der Mittelmächte im 1. Weltkrieg allerdings erst einmal ausgebremst.
Doch schon 1920 popularisierte Karl Haushofer den Begriff Geopolitik. Die Planungen des deutschen Generalstabs für einen neuen Ostfeldzug begannen spätestens Mitte der 20er Jahre. Zu dieser Zeit regierten im Deutschen Reich die staatstragenden Parteien der demokratischen Mitte. Es gab unterschiedliche Koalitionen unter Beteiligung von SPD, Liberalen und des Zentrums. Die NSDAP spielte allenfalls lokal eine Rolle. Hitlers Rolle in der NSDAP war keinesfalls gefestigt.
Der weitere Verlauf deutscher Geschichte ist im Ergebnis bekannt. Hitler wurde am 30. Januar 1933 Reichskanzler.
Es ist auch allgemein bekannt, welche Verbrechen der Stalinismus vor allem seit Mitte der Zwanziger Jahre bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs verübte. Doch davon unabhängig ist festzustellen, dass die UdSSR seit 1933 versuchte, Bündnisse mit Westmächten zu schließen. Die UdSSR ist immer wieder hingehalten worden.
Es folgte eine Periode massiver Völkerrechtsverstösse:
1934 erfolgte der Anschluss Österreichs.
1936 begann der Spanische Bürgerkrieg, in dem Franco massiv Unterstützung aus Italien und Deutschland erhielten, die Westmächte sahen weitgehend zu oder unterstützen Franco verdeckt.
Im September 1938 wurde im sogenannten Münchner Abkommen mit Billigung Frankreichs und Englands die CSR zerschlagen
1939 marschierte die deutsche Wehrmacht in den noch unbesetzten Teil der tschechischen Teilrepublik ein. In der slowakischen Teilrepublik herrschte ein profaschistisches Regime.
Im August 1939 schlossen die UdSSR und Deutschland den Nichtangriffspakt. In einem geheimen Zusatzprotokoll teilten Deutschland und die UdSSR Polen und andere osteuropäischen Gebiete unter sich auf.
Am 1. September überfiel die deutsche Wehrmacht Polen. England und Frankreich erklärten dem Deutschen Reich den Krieg, blieben aber zun‰chst passiv.
Wahrend Deutschland seine west- und nordeuropäischen Anrainerstaaten nach und nach überfiel und besiegte, liefen gleichzeitig die Planungen für den Krieg im Osten weiter. Bei Tagesanbruch des 21. Juni 1941 war es so weit: Mit dem Überfall der nicht hinreichend auf dieses Ereignis vorbereiteten Sowjetunion begann der grausamste Vernichtungskrieg der Menschheit.
Die geopolitische Entwicklung führte letztendlich dazu, dass die USA Ende 1941 auf Seiten der Alliierten in den Krieg eintrat. Die Rollenverteilung über den weiteren Ablauf des Krieges hat Valentin Falin 1995 zutreffend beschrieben: Die USA in der Rolle des Kapitäns, Großbritannien in der Rolle des Lotsen und die russische Bevölkerung in der Rolle von Galeerensklaven.
Niemand, der diesen Tatsachen ins Auge blickt, kann leugnen: Der Krieg gegen die UdSSR hatte wirtschaftliche und ideologische Gründe und stellt ein schweres Verbrechen des deutschen Imperialismus dar.
Heute:
Kriege werden wahlweise aus humanistischen, dann humanitären Gründen, aber in jedem Fall für die Demokratie und gegen Terroristen oder Despoten geführt. Und die Bundeswehr sei die grösste Friedensbewegung, die Deutschland je hatte, und zum Glück hat die Welt eine Friedensbewegung namens NATO! Fast bin ich geneigt zu sagen: "wer`s glaubt, wird selig."
10 Jahre Krieg in Afghanistan sind 10 Jahre zu viel. Auch hier ging es immer nur um wirtschaftliche und lokal- oder geopolitische Interessen, aber niemals um Freiheit oder Demokratie.
Ich wende mich nun einem anderen Thema zu:
Am vierten November wurden Uwe Böhmhardt und Uwe Mundlos unter eigenartigen Umständen nach einem Bank¸berfall in einem ausgebrannten Wohnwagen erschossen aufgefunden. Unter den Waffen, die in diesem Wohnwagen deponiert waren, waren die der Polizistin Kiesewetter und ihres Kollegen, die 2007 in Heilbronn ermordet bzw. schwer verletzt wurden.
Als die Landtagsfraktion der Linken die Verbindung dieser Personen zur neofaschistischen Szene thematisierte, wurde eine solche von offiziellen Stellen des Landes erst einmal dementiert.
Vorschnell ñwie sich inzwischen zeigte. Doch damit nicht genug. Im Besitz der beiden toten Neonazis war auch eine Waffe, mit der zwischen 2000 und 2006 mindestens acht türkische und ein griechischer Bürger ermordet wurden.
Das Neonazi-Trio (zu dem auch Beate Zschäpe zählt), gehörte seit mindestens 1997 dem Thüringer Heimatschutz an, einem Ableger der Anti-Antifa Ostthüringen. Es ist völlig unklar, wie es das Trio schaffte, jahrelang mit den Ermittlungsbehörden einVersteckspiel zu betreiben und dabei unbehelligt mitten in Zwickau zu leben.
Bekannt ist auch die Verstrickung des Thüringer Heimatschutzes mit der NPD. Diese Partei wird bekanntermaßen so gründlich vom Verfassungsschutz observiert und unterwandert, dass deshalb Anfang des letzten Jahrzehnts ein Verbotsverfahren scheiterte.
Die Spuren der Mordanschläge weisen aber auch zu anderen Verfassungsschutzämtern, z.B. nach Hessen. Dort war der Besitzer eines Internetcafes ermordet worden. Ein V-Mann des Hessischen Verfassungsschutzes hat sich unmittelbar vor dem Mord in diesem Internetcafe aufgehalten, wie die Berliner Zeitung Monate nach dem Mord im Juli 2006 berichtete. Dieser Vorgang wurde auch von einem Zeugen bestätigt, der noch weitere Details schilderte. Zu einer Verhaftung des Staatsschützers durch die Kasseler Staatsanwaltschaft ist es jedoch nicht gekommen aus Mangel an Beweisen.
Trotz dieser Vorgänge ist weiterhin keine Bereitschaft der Bundesregierung zu erkennen, die V-Männer aus der NPD abzuziehen. Die Begründung, "dass man die NPD nur so bekämpfen könne, steht auf mehr als tönernen Füßen.
Auf der anderen Seite hält die Bundesregierung daran fest, den Rechts- und den Linksextremismus gleichzusetzen.
Damit unterläuft sie bewusst eine gesellschaftlich breite Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus.
Diese Strategie hat Auswirkungen auf unsere Realität auch in Pforzheim. Laut einem Bericht der Pforzheimer Zeitung vom 5. November konnte sich z.B. der katholische Dekanatsrat mehrheitlich nicht dazu entschliessen, in der Initiative gegen Rechts mitzuarbeiten. Als Grund wurde in der Diskussion unter anderem die Mitarbeit der Linken genannt, die in üblicher Weise mit der Entwicklung und dem letztendlichen Scheitern der DDR in Verbindung gebracht wurde. Wir sind gespannt, ob die jüngsten Ereignisse zu einem Umdenken führen?
Fazit: der Schwur von Buchenwald - 19. April 1945 - bleibt weiterhin gültig:
Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.
Ich danke Ihnen und Euch für Eure Aufmerksamkeit.

20.11.2011

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